Im Trafo-Modul begegneten wir dem Franklin-Modell der «Movers», «Movables» und «Immovables». In diesem Zusammenhang erwähnte Pit Zurkichen auch John P. Kotter, der dazu rät, in einem Change-Prozess die sogenannten «No-no’s» nicht vom Sinn des Changes überzeugen zu wollen, sondern gegebenenfalls besser vom Austritt aus der Firma. Alles andere sei chancenlos («forget it», sagt er in diesem Video).
Ich wollte noch etwas mehr wissen zu Kotter. Sein «8-Stufen-Modell» ist mir in diesem älteren Text in «Harvard Busines manager» (3/1995) begegnet, in dem er von «Acht Kardinalfehler bei der Transformation» spricht. Ich nehme fünf davon heraus, weil sie Aspekte beschreiben, denen wir in unserem Veränderungs-Prozess in der Abteilung auch begegnen.
1) Kein ausreichendes Gespür für Dringlichkeit
(Auszug aus dem Text) «Wann ist das Gefühl für Dringlichkeit aber groß genug? Wie ich sehen konnte, wenn ungefähr 75 Prozent der Manager in einem Unternehmen aufrichtig davon überzeugt sind, dass es mit der Devise Business as usual einfach nicht mehr weitergeht. Liegt der Anteil darunter, muss im Transformationsprozess später mit sehr schwerwiegenden Problemen gerechnet werden.
Das scheint mir in unserem Fall nicht das Problem. Der Anteil der Führungskräfte die die Dringlichkeit einer Veränderung sehen und anerkennen, liegt bestimmt in diesem Bereich von drei Vierteln, wenn nicht höher.
An anderer Stelle spricht Kotter davon dass es an Geduld fehlt:
In anderen Fällen wiederum fehlt es an Geduld: «Genug mit den Vorbereitungen, jetzt muss es vorangehen», heißt es dann.
Das ist ein Punkt, den ich teilweise in meinem Umfeld auch erkenne. Der Drang, die Entwicklung vorwärts zu treiben hat möglicherweise weniger mit fehlender Geduld zu tun, als mit der Idee, dass konkrete Schritte zumindest die «Movables» von der Richtigkeit der Veränderung besser (schneller?) überzeugen, als wenn wir in der Vorbereitung bleiben. Ob fehlende Geduld oder Idee der Motivation, im schlechten Fall ist das Ergebnis das gleiche: Die Menschen sind noch nicht bereit und kippen im Zweifelsfall in den Widerstand.
Und zum dritten spricht Kotter unter dem Punkt «Dringlichkeit» die Rolle und der Nutzen externer Begleiter des Prozesses an. Unternehmen holen sich (…) in solchen Fällen meist Außenstehende, um die nicht gern gehörten Wahrheiten auszusprechen. Analysten, Kunden und Berater können da sehr von Nutzen sein. Der Zweck besteht nach den Worten des vormaligen Chefs eines großen europäischen Unternehmens darin, «den Status quo gefährlicher erscheinen zu lassen als den Sprung ins Ungewisse».
Diese Überlegung, die schlechten Nachrichten an eine aussenstehende Person zu delegieren, finde ich interessant. Zudem scheint mir, die externe Begleitung eines solchen Prozesses liesse sich auch noch mit anderen Überlegungen begründen. In unserem Fall wurde jedoch bisher fast vollständig auf die fachliche externe Begleitung verzichtet. Die Begründung scheint mir so klassisch wie falsch: «Bis jemand aussenstehender unsere Situation verstanden hat, haben wir die Arbeit gleich (günstiger) gemacht.»
Damit fehlt uns bis auf weiteres fachlich/methodische Expertise, wie eben auch ein «Blitzableiter», was uns als Führungsgremium in der Abteilung allenfalls auch eine gewisse Entlastung geben könnte.
2) Fehlen einer mächtigen Koalition der Erneuerer
Mir scheint, in diesem Punkt hätten wir bisher die richtigen Ansätze gelebt.
Ein starkes Bewusstsein der Dringlichkeit des Wandels unter den Führungskräften begünstigt die Bildung einer Führungskoalition wesentlich. Doch meist reicht das nicht aus. Irgendjemand muss diese Leute tatsächlich zusammenholen, ihnen helfen eine gemeinsame Einschätzung der Probleme und Chancen ihres Unternehmens zu entwickeln, und ein Mindestmaß an Vertrauen und Meinungsaustausch herstellen.
Wir haben in diversen Sitzungen die TeamleiterInnen der Abteilung in die Diskussion um die Notwendigkeit geholt, einen Konsens mit ihnen erarbeitet und gefunden. Allerdings spricht Kotter im Verlaufe dieses zweiten Kapitels einen Punkt an, den ich bei uns zumindest teilweise auch erkenne:
3) Es wird versäumt, eine Vision zu entwerfen
Bei mißglückten Transformationen wird man vielfach auf jede Menge Pläne, Direktiven und Programme stoßen, aber nicht auf eine Vision…..
Ich bin mir in diesem Punkt unsicher. Zumindest wir auf der (Abteilungs-) Leitungsebene haben eigentlich eine Vision und wir haben sie auch den Mitarbeitenden zu vermitteln versucht. Es geht darum, dass wir traditionelles Radio in ein neues (digitales) Zeitalter überführen und so unsere Inhalte auch jenem Teil des Publikums zur Verfügung stellen, der nicht mehr Radio hört (Junge Zielgruppe). Aber vielleicht ist das trotzdem noch zuwenig «WHY», zuwenig visionär, zuviel «WAS», also Mittelbau in der Transformationspyramide, wie wir sie im Modul kennengelernt haben.
Es ist zu beachten, dass im Verlaufe der Transformation auf Geschäftsleitungsebene die Spitze wechselte. Weil der frühere Direktor – bei vielen Mitarbeitenden ohnehin unbeliebt und nicht akzeptiert – in der ersten Phase der Transformation teilweise inkoheränt kommunizierte und bereits kritische Nachfragen als nicht Misstrauensvoten abtat, war das Vertrauen und das Comittement – falls überhaupt vorhanden – an der Basis schon weg, als seine Nachfolgerin vor 9 Monaten die Leitung übernahm.
Womit der vierte Punkt in Kotters Text angesprochen wäre.
4) Unzulängliche Vermittlung der Vision
Teilweise erkenne ich unsere Muster in der Beschreibung Kotters auch in diesem Punkt, wenn er von «Rundschreiben, grosse Versammlungen etc.» spricht.
In der ersten Phase der Transformation (ab Frühsommer 2018) haben wir sicher in der abteilungsinternen Kommunikation zuwenig visualisiert. Newsletter wurden geschrieben, auf Wunsch Einzelgespräche geführt, die Leute wurden in regelmässigen Abständen zu Infoversammlungen zusammengerufen, konnten Fragen stellen, auch Einwände oder Ideen deponieren, aber es wurden weder Botschaften, noch Ergebnisse der Diskussionen festgehalten und visualisiert. Mit dem Ergebnis, dass zum Beispiel in den Folgeveranstaltungen immer wieder bereits beantwortete Fragen gestellt wurden.
Das haben wir unterdessen verändert. Zu einer Infoveranstaltung gehört eine klare Präsentation, die später auch für nicht Anwesende abrufbar ist. Seither sind die Rückmeldungen häufiger geworden, man habe die Grundidee/Botschaft verstanden.
5) Entgegenstehende Hürden werden nicht weggeräumt
Hier sehe ich für unsere Organisation besondere Umstände. Öffentlichkeit und Politik können teilweise Hindernisse bauen, die wir nicht einfach aus dem Weg räumen können. So hat der Entscheid des Nationalrats, den Grossteil der Berner Redaktion im Studio Bern zu belassen, hat die Umsetzung der ursprünglichen Strategie massgeblich verhindert.
Dass wir auch intern tw. massiven Widerstand gegen die Umzugspläne hatten und haben (er wurde nach der Neugestaltung des Projekts deutlich weniger), stimmt und scheint Kotter recht zu geben mit seiner Haltung «forget it». Trotzdem bin ich, Stand heute, der Meinung, dass radikale Massnahmen bei einzelnen Mitarbeitenden wohl eher kontraproduktiv gewesen wären. Konkrete Fehlleistungen sind erstens schwer zu beweisen, und zweitens steht das Unternehmen unter starker öffentlicher Beobachtung und würde bei solch «autoritären» Schritten sofort auch öffentlich massiv kritisiert. Ausserdem: Noch haben wir nicht alles versucht, um die kritischen Geister doch noch von der Wichtigkeit des Anliegens zu überzeugen.
Fazit: Zusammen mit verschiedenen Elementen aus dem Modul, wie dem Scarf-Spider, der Chasm-Kurve oder der Transformationspyramide, bietet mir das «8-Stufen-Modell» eine gute Grundlage, um das eigenen Handeln in der Transformation zu reflektieren.
Insgesamt fand ich die Begegnung mit Lean Change Management sehr hilfreich und inspirierend vis à vis all der Fragen, die in der Transformation auftauchen.